Auszeichnung für Willi Overbeck

Wer sich besonders aktiv für die Stadt und ihre Bürger einsetzt – sei es im sozialen, kulturellen oder sportlichen Bereich – bekommt von der FDP-Fraktion im Rat den Essener Bürgertaler verliehen: eine Auszeichnung mit langer Tradition, die bis 1979 zurückgeht. Zuletzt wurde sie 2020 an Marianne Menze vergeben, die sich für den Erhalt der Essener Lichtspielhäuser, u.a. der Lichtburg, einsetzt. Nach einer pandemiebedingten Pause im vergangenen Jahr gibt es nun wieder einen Bürgertaler – und der ging an Willi Overbeck, unseren langjährigen Arche-Noah-Projektleiter.

Interkultureller und interreligiöser Dialog

Der Essener Bürgertaler soll vor allem jenen engagierten Bürgerinnen und Bürgernnerkennung zollen, die ehrenamtlich arbeiten und deren Verdienst gar nicht von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Vorschläge für mögliche Kandidaten kommen aus der Essener Bevölkerung, ein Kuratorium entscheidet schließlich über die Vergabe. Willi Overbeck erhält die Auszeichnung unter anderem für seinen jahrelangen Einsatz für den interkulturellen und interreligiöser Dialog in Essen. Ausführlich kann man das in der offiziellen Laudatio nachlesen:

Laudatio

Seit 1979 Jahre verleiht die FDP Fraktion den Essener Bürgertaler an verdiente Essener Persönlichkeiten. Mit dem Essener Bürgertaler ehrt die FDP-Ratsfraktion Personen des öffentlichen Lebens, die sich ehrenamtlich im Sozialen, im Sport oder der Kultur verdient gemacht haben. Übrigens wurde im Mai 1979 der erste Bürgertaler auch nach Altenessen vergeben, nämlich an Dieter Scheffler für den Einsatz für Altenessener Kinder und Jugendliche.

Die Jury hat vor einigen Monaten für 2022 eine einstimmige Entscheidung getroffen. Für sein Engagement im Essener Norden erhält Willi Overbeck heute den Bürgertaler der FDP Fraktion im Rat der Stadt Essen. Der evangelische Pfarrer im Ruhestand wird damit für sein langjähriges sozialdiakonisches Engagement und die Förderung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs in unserer Stadt ausgezeichnet.

Wenn Sie Willi Overbeck googlen, erhalten Sie 27.100 Resultate in 0,4 Sekunden. Ich lese sie mal der Reihe nach vor. (keine Sorge…) Der ehemalige Pfarrer hat das Stadtteilleben in Altenessen mit vielen Mitstreitern stark geprägt. Und damit sicher nicht nur seinen Wahlheimatstadtteil Altenessen, sondern die Impulse wurden auch in anderen Stadtteilen unserer Stadt aufgenommen. 

Als Pfarrer der Kirchengemeinde Altenessen-Nord gründete Willi Overbeck 1978 die „Initiative Zentrum Zeche Carl“ mit dem Ziel, die zum Abbruch bestimmte Zechenbrache zu erhalten, um darin einen Stadtteiltreffpunkt zu schaffen. Diese Initiative baute Ende der 70er die Zeche Carl um, auch Jugendliche waren beteiligt. So entstand das heutige Zentrum für Soziokultur. Im Laufe der Jahre entstand eines der größten soziokulturellen Zentren in Deutschland. 

In diesem Zusammenhang war es Willi Overbeck ausgesprochen wichtig, dass junge Menschen neue Chancen erhielten. Er initiierte mit seinen Mitstreitern immer wieder neue Projektansätze und Maßnahmen, auch neue Träger und Strukturen, um Jugendliche für das Handwerk zu gewinnen und brachte damit arbeitslose Jugendliche – oftmals brauchen sie viele mühsame Schritte, denn benachteiligte Jugendliche benötigen oft mehrere Anläufe – Schritt für Schritt in Handwerksberufe. Aber Willi Overbeck hat selten ans Aufgeben gedacht. Junge Menschen haben Chancen verdient. Und wenn sie erst die dritte, vierte oder fünfte nutzen, haben wir alles richtig gemacht. Keinen verloren geben. Das ist Auftrag und Programm.

Aktiv beteiligt war Overbeck auch am Aufbau des „Essener Konsens“, einem Netzwerk für bauliche Modellprojekte, die mittels einer gemeinwesenorientierten Beschäftigungs- und Arbeitsmarktförderung einerseits arbeitslose Jugendliche und Erwachsene in Qualifizierung und Arbeit brachten und andererseits Bauwerke instand oder saniert haben, dass diese für die Bürgerinnen und Bürger wieder nutzbar werden. Gemeinsam mit den Vertretern der Wirtschaft, der Handwerkerschaft, der IHK, dem DGB und der Stadt und der Essener Wirtschaftsförderung sind hier konsensuale Projekte entstanden, die für alle Beteiligten einen tollen Mehrwert haben.

Menschen untereinander zu vernetzen und ihnen Chancen zu eröffnen, ungeachtet von Herkunft, Religion oder sozialem Hintergrund – das ist auch heute noch sein Anliegen. Willi Overbeck ist überzeugt, dass es für unsere Stadtgesellschaft ein sehr großes Problem ist, dass Menschen zu früh abgeschrieben werden. Und Willi Overbeck bringt immer ein bestimmtes Mittel ein, was er erst einmal einfordert, aber auch bereit ist, es selber zu erbringen: Vertrauen. Gegenseitiges Vertrauen, Vertrauen in die Menschen zu setzen ist eine Grundlage für das gemeinsame Tun. Für den gemeinsamen Erfolg, die angestrebten Ziele auch zu erreichen. 

Willi Overbeck hat dieses Vertrauen in all die Mitstreitenden in den vielen Jahren gesetzt. Er ist überzeugt, nur in der Gemeinschaft kann man etwas erreichen, das ist seine Überzeugung und sein Antrieb. Dazu gehört natürlich auch ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft – aber auch an Kooperationsvermögen. Mit einem lachenden Augenzwinkern muss ich dabei anmerken, dass es Berufsgruppen gibt, denen ist dieses Mittel, dieses Instrument gelebter Kooperation im Team, Kompromisse zu suchen, gemeinsame Wege zu finden und zu gehen, nicht immer vollends geläufig. Da müssen sie außerhalb ihrer Berufsausübung immer wieder lernen, dass Kooperation viel erfolgreicher ist, als das Einzelkämpfertum. Das sind Berufsgruppen, die ihre eigene Kerntätigkeit meist ziemlich alleine ausüben, obwohl gelegentlich viele Menschen dabei sind, wenn sie arbeiten. Jetzt könnte man tatsächlich schnell auf Lehrer und Pfarrer kommen.

Es gab auch für Willi Overbeck in seinem langjährigen Engagement für die Menschen auch so manchen Rückschlag und Gelegenheiten, bei denen er seine Ideen und Erfolge in großer Gefahr sah. Viele haben geholfen, dass diese wichtigen Ideen, Projekte und Initiativen weiterleben konnten. Dafür war auch oftmals viel Geld notwendig. Weil wir alle aber von den Grundideen alle überzeugt waren, wurden Wege und Mittel gefunden, die Grundideen weiter zu leben.

Weil ich an diesem heißen Sommertag nicht alle Verdienste, Ideen, Impulse, die Willi Overbeck mit auf den Weg gebracht habe, ansprechen kann, ist mir aber ein echtes Herzensanliegen von Willi Overbeck und seinen Mitstreitern noch wichtig und deshalb spreche ich noch über Die ARCHE NOAH ESSEN. Dieses langjährige Projekt steht für eine Stadt frei von Rassismus und Diskriminierung. Willi Overbeck hat es mitbegründet, mit entwickelt und trägt es als evangelischer Pfarrer und Essener Bürger. Auch dieses Projekt stand wegen fehlender Mittel schon so manches Mal vor dem Aus. Die Arche Noah ist ein Symbol der ganzen Menschheit, das für Überleben und Zukunft steht. Sie ist mitten in unserer Stadt gelandet. Nun kommt es darauf an, eine Stadtgesellschaft zu gestalten, in der die hier gewachsene kulturelle und religiöse Vielfalt als friedliches Miteinander gelebt wird. Dazu will ARCHE NOAH Essen beitragen und ermutigen.

Das Arche Noah-Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt des Initiativkreises Religionen in Essen und der Stadt Essen vertreten durch das Kommunale Integrationszentrum und weiterer Kooperationspartner, die sich für Frieden, Völkerverständigung, Toleranz und Respekt zwischen den Religionen und Kulturen in unserer Stadt einsetzen. Dieses Projekt steht gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus und für ein friedliches Zusammenleben der Völker und den respektvollen Umgang mit anderen Kulturen und Religionen. Es steht auch für ein Stück gelebter Willkommenskultur.

Impulsgeber der Idee Arche Noah ist der Initiativkreis Religionen in Essen. Dem IRE gehören an: Die Jüdische Kultusgemeinde Essen, die Katholische Stadtkirche Essen, die Evangelische Kirche in Essen, die Kommission Islam und Moscheen in Essen (KIM-E), die Baha’i Gemeinde Essen, die Sikh‘ Gemeinde Essen. Ich wünsche mir, dass die Essener Religionsgemeinschaften für das Projekt auch selber finanzielle Mitverantwortung übernehmen. Es geht um eines ihrer zentralen Anliegen. Das sollte es den Religionsgemeinschaften auch finanzielle Mittel wert sein.

Das Arche Noah Projekt bildet den Schwerpunkt der Interkulturellen Woche in Essen. Gebaut wird eine 25 Meter große „Arche“, deren Herzstück eine Bühne ist. Die Essener Initiatoren bieten allen Essener Einrichtungen und Partnern die Möglichkeit an, über das Religiöse hinaus auch die wesentliche interkulturelle Aspekte, die unsere Gesellschaft betreffen, wie „Interkultureller Dialog, Bekämpfung von Rassismus/rassistischer Tendenzen, Antisemitismus, Ausgrenzung, religiöse und kulturelle Vielfalt etc.“ im Rahmen des Arche-Noah-Projektes zu thematisieren. Das Arche Noah Projekt trägt auch die maßgebliche Handschrift von Willi Overbeck.

Besonders wertvoll sind aus meiner Sicht die Arche Dialoge. Arche Dialoge sind ein Bestandteil des „Arche Noah-Prozesses Essen“. Sie ergänzen die Ausgestaltung der Interkulturellen Woche durch ein ganzjähriges Netzwerk der Begegnung und Verständigung zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft und Glaubenstraditionen in den Bezirken bzw. in den Stadtteilen, wo die Menschen wohnen, sie Nachbarn sind. Arche Dialoge verstehen sich als aktive Friedensarbeit durch Begegnung im Gespräch. Sie werden ergänzt durch öffentliche Diskussions- und Bildungsveranstaltungen zu Themen der interkulturellen Verständigung. Die Philosophie der Arche Noah Dialoge basiert auf der Begegnung von Menschen, die daran interessiert sind, in einem moderierten Gespräch jenseits von „Richtig oder Falsch“ die eigenen wie die Denkmuster-der Anderen zu erkunden. Auch das rührt u.a. auch aus den Überzeugungen von Willi Overbeck: Teilhabe, Mitwirkung und Partizipation. Und das nicht nur aus einer soziologisch- fachlichen Überzeugung, weil die Beteiligung und Aktivierung der Menschen vor Ort zum Standardrepertoire der sozialen Stadtentwicklung gehört.

Nein, Willi Overbeck ist der personifizierte Dialog. (Manchmal sucht er ihn aber leider ein wenig spät). Er sucht immer wieder neue Gelegenheiten seine Überzeugungen und Ideen einzubringen. Immer mit dem Ziel das Beste für die Menschen in seinem Stadtteil und in unserer Stadt zu suchen. Ganz im Sinne von Jeremia, „Suchet der Stadt Bestes“! Er hat viele von uns unermüdlich als Partner begeistert und so manches Mal aber auch den Rand der Verzweiflung gebracht.

Kurzum: Willi Overbeck hat sich mit seinem Engagement um unsere Stadt verdient gemacht. Die Verleihung des Essener Bürgertalers der FDP Fraktion im Rat der Stadt Essen ist Dank und Anerkennung zugleich für seine Lebensleistung.

Lieber Willi, herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank für Deine Mitwirkung. 

Peter Renzel 

Essen, den 12.082022

Foto: Ulrich Püschmann

am 17. August 2022

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